A. Daum u.a. (Hrsg.): America, the Vietnam War and the World

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Title
America, the Vietnam War and the World. Comparative and International Perspectives


Editor(s)
Daum, Andreas W.; Mausbach, Wilfried; Gardner, Lloyd C.
Series
Publications of the German Historical Institute Washington
Published
Extent
372 S.
Price
$22.00
Rezensiert für 'Connections' und H-Soz-Kult von:
Matthias Middell, Zentrum für Höhere Studien, Universität Leipzig

Muss es tatsächlich noch ein Buch über den Vietnamkrieg sein? Bei Planung und Durchführung der diesem Bande zu Grunde liegenden Konferenz im November 1998 in Washington war jedenfalls schwerlich abzusehen, welche Aktualität das Trauma der Niederlage der amerikanischen Verbündeten in Saigon und des überstürzten Abzuges der US-Truppen aus dem südostasiatischen Land 1973 für das politische Klima nach dem 11. September 2001 und im Zusammenhang mit dem Irakkrieg entfalten würde. Das Deutsche Historische Institut ließ sich zunächst beflügeln vom Erfolg einer Vorgängerkonferenz, die die üblichen Beschränkungen historischer Darstellungen der Ereignisse von 1968 auf einige wenige Schauplätze überwunden hatte und erstmals den globalen Blick einübte.

Man könnte dies als ein Exempel besonders gelungener Vermittlung amerikanischer und europäischer Diskussionskontexte bezeichnen – eine zentrale Aufgabe des Deutschen Forschungsinstitutes in der New Hampshire Avenue der amerikanischen Hauptstadt. Man kennt andererseits die Verführung zur Fortsetzung von Erfolgsstories aus dem Kino. Nicht immer muss dies gelingen, aber in diesem Fall bewährt sich die Kooperation von transatlantisch stationierter Expertise für die Geschichte ganz verschiedener Weltgegenden, so dass ein lesenswertes Ensemble entsteht, das sich verschiedener Methoden bedient, um die „globalen Perspektiven“ zu realisieren.

Im ersten Teil werden synchrone und diachrone Vergleiche vorgeführt, und hier ist der Band vielleicht am stärksten einzuschätzen. Lässt sich dadurch der Vietnamkrieg in die lange Folge von kolonialen Kriegen (nun allerdings in einem postkolonialen Umfeld) einordnen, wie Michael Adas fragt, und gibt es Kontinuitäten zu früheren US-Interventionen in Asien, v.a. auf den Philippinen 1898-1900, wie Fabian Hilfrich annimmt, oder ergeben sich Vergleichsmöglichkeiten zur britischen Niederlage 1780 in Nordamerika bzw. Japans Niederlage in China am Ende des Zweiten Weltkrieges (Christopher Jespersen und John Prados)? Dagegen befassen sich Jeffrey Kimball und Sabine Behrenbeck mit den Schwierigkeiten, einen Krieg zu beenden, indem sie mit Panmundschom in Korea und den Pariser Vorort-Verträgen 1919/20 am Ende des Ersten Weltkrieges vergleichen. Dies ist alles außerordentlich anregend, konfrontiert die beiden bis heute dominanten Narrative in den USA (Rechtfertigung des Krieges aus den Konstellationen des Kalten Krieges gegen den Vorwurf einer neokolonialen und neoimperialistischen Strategie) sehr gut miteinander, aber lässt auch Fragen offen, die v.a. einen eventuell neuen Charakter der Kriege nach der Bombe von Hiroshima einerseits und nach dem Erfolg der chinesischen Guerilla unter Mao andererseits betreffen.

Der zweite Teil des Bandes wechselt den methodischen Fokus und betrachtet die internationalen Beziehungen und Bündnisse, zunächst mit Blick auf die mitfinanzierenden Westeuropäer und deren zunehmende Unwilligkeit über das System von Bretton Wood die Kriegskosten mitzuschultern (Hugo Zimmermann, Fredrik Logevall).

Im Folgenden werden die Rolle und die Motive Thailands (Arne Kislenko) und Australiens (Peter Edwards) näher betrachtet und mit einer vergleichenden Analyse der (konkurrierenden) chinesischen und sowjetischen Positionen (Eva-Maria Stolberg) die Spielräume im globalen Ringen der beiden Lager ausgelotet.

Im dritten Bereich geht es schließlich um die breite politische Mobilisierung, die der Vietnamkrieg auslöste: in Italien (Leopoldo Nuti), in Westdeutschland (Wilfried Mausbach) und in der DDR (Günter Wernicke) sowie im gleichzeitig an Geltung gewinnenden internationalen Feminismus (Barbara L. Trischler). Die Auswahl erscheint einigermaßen zufällig oder der Notwendigkeit geschuldet, Teilnehmer im Programm unterzubringen, denen die globale Perspektive eher fremd ist.

Mitherausgeber Lloyd C. Gardner ordnet schließlich die amerikanischen Vietnamerinnerungen in die stationenreiche Geschichte anderer Implikationen in kriegerische Auseinandersetzungen ein und erinnert uns, dass die Globalisierung der Kriegsführung im 20. Jahrhundert ohne amerikanische Interventionen nicht denkbar wäre.

Insgesamt handelt es sich um einen hochinformativen Band, der die riesige Literatur zum Vietnamkrieg durchaus bereichert. Er kann als Zeugnis für eine Experimentierphase der transnationalen Geschichte gelesen werden, in der methodische Zugänge nebeneinander ausprobiert werden und es schwer machen ein Resümee in Richtung neuer globalgeschichtlicher Narrative zu ziehen. Dies korrespondiert mit dem öffentlichen Bedürfnis nach Vielfalt der Erinnerungen anstelle einer neuen Eindeutigkeit, erschwert aber auch die früher mit größerer Selbstverständlichkeit angenommene Rolle der Historiker als Verwalter geschichtlicher Wahrheit und lässt andere geschichtspolitische Akteure gleichberechtigt Vorschläge für die Deutung der Vergangenheit machen.

Im Falle so hoch emotionalisierender Stoffe wie eines Krieges, der an den Rand einer globalen und wegen der existierenden Waffentechnologie vielleicht finalen Auseinandersetzung führt, hinterlässt dies wohl nicht nur ein Gefühl der Zufriedenheit.

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Published on
13.04.2007
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Diese Rezension entstand im Rahmen des Fachforums 'Connections'. http://www.connections.clio-online.net/
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